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Reisebericht Äthiopien 2016

Gastbeitrag von Benjamin Eberlei
Von der Wanderung im Kaffeebaumgarten in Yirgacheffee bis zu einem Handelstag an der Börse in Addis Abeba war bei der SCAE-Äthiopienreise alles dabei, um die Reise unseres Lieblingsgetränks vom Anbau bis zum Export nachzuspüren. Unsere neunköpfige Reisegruppe war ausgewogen mit Röstern, Baristas und Trainern besetzt, für mich ein sehr gute Kombination,  um neben den geplanten Besichtigungen und Terminen auch die verschiedensten Blickwinkel und Meinungen der SCAE-Kollegen zu erfahren.

Wir starten unsere gemeinsame Reise im Bela Hotel in Addis Abeba am Sonntag, den 10. Januar mit einem Kulturprogramm, um Äthiopien näher zu kommen. Nach einer traditionellen Kaffeezeromonie im Hotel fahren wir weiter ins Café Tomoca für einen Machiato. Zum Abschluß des Abends sind wir zum traditionellen Essen von Injera (Sauerteigfladenbrot) und Wot (verschiedene Soßen) in das äthiopische Restaurant Yod Abyssina geladen. Besonderes Highlight: unsere Gastgeber, Freunde von Reise-Organisator Karlheinz, organisierten eine Torte und ein Ständchen für Geburtstagskind Ruth. Überraschung geglückt! Das gute Essen und das äthiopische Musik- und Tanzprogramm sorgt für einen wunderschönen Abend und schafft Vorfreude auf die nächste Woche im Süden Äthiopiens.

Am nächsten Morgen fahren wir schon sehr früh mit einer Kolonne von drei Geländewagen in Richtung unseres ersten Zieles los: Yirgacheffe. Bis auf zwei kurze Kaffee- und Mittagspausen fahren wir fast durchgehend bis zum Sonnenuntergang auf dem Weg zu unserer ersten Besichtigung, der Dumerso Washing Station. Die Straßen sind überall sehr belebt: Menschen, Tiere, Fahrräder, Eselskarren, Autos und Lastwagen teilen sich in für uns eher chaotischen Verhältnissen die Wege. In Hawassa, etwa auf der Mitte der Strecke, sammeln wir unseren Guide Kilil auf, der uns für die nächsten sechs Tage mit detaillierten Informationen und Einblicke die äthiopische Kaffeeindustrie gewährt.

Reifenpanne
Reifenpanne

Während wir in Addis Abeba noch über asphaltierte Straßen und über eine gerade neu gebaute Autobahn fahren, merken wir jedoch schnell: Je weiter entfernt wir von der Hauptstadt sind, desto schlechter werden die Straßen. Um Yirgacheffee herum fahren wir nur noch auf Schotterpisten mit vielen Schlaglöchern. Kurz vor dem Ziel in Yirgacheffee platzt der erste von mehreren Reifen auf dieser Reise, unserer Fahrer jedoch lösen solche Probleme immer schnell und ohne großen Stress.

Hirut
Hirut, Inhaberin der Dumerso Station

Wir haben noch etwa eine Stunde Sonnenlicht, als wir die Dumerso Washing Station erreichen, wo wir von der Besitzerin Hirut bereits erwartet und freundlich begrüßt werden. Die Arbeitszeit ist bereits vorüber, so dass wir ungestört durch die Anlage spazieren konnten. In Yirgacheffee Dumerso ist gerade die Späterntezeit und auf den Sun-Dry Tischen werden die Kaffeekirschen der letzten Ernte getrocknet. Die Washing Station mit Entpulper und Wasserbeckenist leider bereits außer Betrieb, da dort dieses Jahr nur der Kaffee der Haupterntezeit im Dezember aufbereitet wurde. Wir konnten jedoch die Anlage und die verschiedenen Arbeitsstationen sehen. Im Lagerhaus der Washingstation wurden hunderte Säcke mit Pergaminos gelagert, die für den Weitertransport an die Börse und letztlich den Export vorbereitet werden.

Aramo Ruth
Processing Station in Aramo

Am nächsten Tag besuchen wir die Processing Station in Aramo, wo wir die Arbeiterinnen beim Sortieren von Kaffeebohnen beobachten und auch selber ein bisschen mithelfen dürfen. Das Sortieren von Bohnen ist in Äthiopien ausschließlich Frauenarbeit, während die Männer auf dem Feld arbeiten.

Da die Region Yirgacheffee für die hohe Qualität ihres Kaffees bekannt ist, trennen die Produzenten bereits durch aufwändige Sortierung die hochwertigen von den schlechten Bohnen, um bessere Preise erzielen zu können. Wir erfahren hier und im Laufe der Reise von verschiedensten Personen, dass die Preise für Yirgacheffee Kaffee vermutlich aktuell von einer Blase getrieben sind und je nach Qualität um ein vielfaches teurer als gleichwertige Kaffees aus anderen äthiopischen Anbaugebieten. Die Aramo Processing Station liefert ihren Kaffee an die äthiopische Rohstoffbörse (ECX – ethiopian commodity exchange) für die Bewertung durch einen Q-Grader, Lagerhaltung und den anschließenden Verkauf an einen Exporteur. Der Verkauf über die ECX macht etwa 90% der exportierten Kaffeemenge aus. Eine erste wichtige Erkenntnis: Kaffeebauern, Washing- und Processing-Stations dürfen in Äthiopien ihren Kaffee (in der Regel) nicht selber direkt exportieren.

Unsere nächste Besichtigung ist die Washing Station der Idido-Kooperative. Hier haben wir nicht nur die Möglichkeit wieder die Sun-Dried Zubereitung von Kaffee zu sehen, sondern auch die Plantage eines Bauerns, der direkt neben der Kooperative Kaffee anbaut. Da wir am Ende der Erntesaison waren, sind die meisten Kirschen bereits von den Bäumen gepflückt gewesen, es gab jedoch einige Bäume, an denen noch Kirschen zu sehen waren.
Kaffeekirschen

Im Unterschied zur Aramo Processing Station ist es der Kooperative möglich, ihren Kaffee mit Hilfe der Union direkt zu exportieren. Der Export durch die Union und Kooperativen macht laut unserem Guide 10% des äthiopischen Kaffeehandels aus.
Ethiopia_coffee

Zurück in Yirgacheffee besuchen wir eine Hulling-Station und zum Abschluß des Tages noch einmal die Dumerso Washing Station für ein Cupping des besten diesjährigen Kaffees, einmal sun-dried und einmal washed aufbereitet: Ein echter Yirgacheffee. Leider erfahren wir jetzt auch, warum der Kaffee in Äthiopien sonst nicht so gut schmeckt: Kaffee guter Qualität muss in Äthiopien exportiert werden, nur der am schlechtesten bewertete Kaffee bleibt im Land. Andernfalls riskieren die Verkäufer Strafen.

Nach dem Cupping fahren wir zurück nach Dilla ins Hotel, aufgrund von Regen und einer Straßensperrung wegen Unfall kommen wir jedoch sehr spät an. Von Dilla geht es am nächsten Tag weiter nach Yirgalem, wo wir in einem Research Center des äthiopischen Staates die systematische Entwicklung neuer Kaffeevaritäten kennenlernen. Die Wissenschaftler sind stolz auf ihre Entwicklung von schadstoffresistenten Varietäten, die sie durch Kreuzung der richtigen von über 2000 verschiedenen Arten aus ganz Äthiopien gezüchtet haben. Leider war es hier nicht erlaubt Fotos zu machen, da wir zahlreiche blühende Kaffeebäume verschiedenster Art sehen konnten. Auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprachen dem, was man von einer staatlichen Einrichtung erwartet, auf 9 deutsche Kaffee-Reisende kamen 8 Äthiopier mit Stöcken, um uns den Weg zu “leiten”.

Zum Abschluß des Tages nehmen wir an zwei Kaffeezeremonien teil, einmal in unserem Hotel und einmal im nahe liegenden Dorf in der Hütte einer Familie. Traditionell wird der Kaffee in Äthiopien direkt vorm Genuß auf einer heißen Platte geröstet und dann von Hand gemahlen bzw. zerstoßen und aufgegossen. Der Wald hinter unserem Hotel war wunderbar ursprünglich, von Avocado- und Mango-Bäumen über riesige Kakteen bis zur “falschen Banane” war alles vertreten. Farmerin Almaz zeigte uns die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieser Pflanze, Ensete genannt. So nutzen die Einwohner in der Sidamo-Region nicht nur die Fasern der Ensete, zum Beispiel zum Decken ihrer traditionellen Hütten, sondern auch als Nahrung.
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Almaz lud uns in ihre Hütte ein und buk aus Ensete-Mehl Brot. Ihre Tochter bereitete in der Zwischenzeit eine Kaffeezeremonie für uns zu. In Almaz Hütte leben drei Generationen unter einem Dach und im vorderen Bereich waren noch Stallungen untergebracht. Beeindruckend!

hütte2

Am Donnerstag fahren wir von Yirgalem nach Awassa, wo wir ein Lagerhaus der ECX besuchen und zwei Mitarbeiter eines US-AID Projektes für Nachverfolgbarkeit von Kaffee (eATTS) kennenlernen und uns den Prototypen zeigen lassen. Bisher wird Kaffee, der über die ECX verkauft wird, nur anhand der Qualität und Herkunftsregion im ECX-Lagerhaus gesammelt. Das bedeutet, dass es für Produzenten fast unmöglich ist, den Kaffee der eigenen Washing-Station über die ECX zurückzukaufen. An der Börse kauft man zum Beispiel “Yirgacheffee Aramo Q1” Kaffee und damit kann der Kaffee von allen verschiedenen Proccesing-Stations in dieser Region stammen. Beginnend mit der nächsten Saison ist der Plan, die Herkunft, Bewertung und Transportwege aller Kaffeesäcke beginnend von den Processing-Stations zu dokumentieren. Mithilfe von Barcodes und iPhone/Android Apps werden die Daten aufgenommen und können von jedem ausgelesen werden, der einen äthiopischen Kaffeesack und die Mobile-App installiert hat. Damit ist es Exporteuren und Importeuren zumindest nach dem Kauf möglich festzustellen, wo der Kaffee gepflanzt, verarbeitet und bewertet wurde.
ecx cupping

Zur Mittagszeit haben wir die Möglichkeit, mit einem Q-Grader der Hawassa ECX Stelle verschiedene Sidamo und Yirgacheffee Kaffees zu cuppen. Dabei erfahren wir sehr detailliert, wie die Mitarbeiter der ECX den Kaffee bewerten. Jeden Tag wird von einem kleinen Team aus Q-Gradern etwa 30 Kaffees von verschiedenen Lastwagen bewertet und im ECX Lagerhaus eingelagert. .

Am Freitag fahren wir von Hawassa zurück nach Addis Abeba, wo wir im Besucherraum für einige Zeit den Handel an der Kaffeebörse ECX beobachten können. Käufer und Verkäufer treffen sich auf dem “Handelsparkett” (Teppich in dem Fall) und haben 2-4 Minuten Zeit Kaffee gruppiert nach Herkunftsregion und Bewertung miteinander zu handeln. Dabei wird sowohl Preis als auch Volumen bestimmt, z.B. 30 Einheiten für 2000 äthiopische BIRR (ETB). Der letzte Trade bestimmt den Börsenkurs des Kaffees, bis der Kaffee am nächsten Tag wieder neu gehandelt wird.
ECX

Am Samstag schließen wir die Reise ab mit einem Besuch bei Moplaco Coffee, einem Exporteur geleitet von Heleanna Georgalis. Bei einer Werksführung durch das Lager und der maschinellen und händischen Sortierstationen sind wir äußerst beeindruckt, wie ausgesprochen sauber und gepflegt die Anlagen von Moplaco sind. Anschließend schließen wir die Reise mit einem letzten Cupping ab mit 11 exzellenten Kaffees aus verschiedensten Regionen Äthiopiens. Im angrenzenden Galani Cafe, eingerichtet im Stile von modernen amerikanischen und europäischen Cafes lassen wir den Tag ausklingen.
Moplaco1

Es war eine tolle Kaffee-Reise. Besonders beeindruckend fand ich, dass wir den Weg von der Kaffeekirsche vom Baum in Yirgacheffee bis zum exportfertigen Kaffee mit allen Schritten nachverfolgen konnten.

2 Kommentare

  1. Stefan Stefan

    Schöner Bericht, völlig entfallen war mir die Rückverfolgbarkeit des Kaffees mithilfe des Barcodes. In Kenia wird der Kaffee schon länger auf diese Weise registriert.

    • Ruth Ruth

      Über das Tracability-Projekt wollte ich sogar nochmal separat berichten. Es ist schließlich ein spannendes und sehr wichtiges Thema!

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